„Die Vollkommenheit der Welt“ oder: Unsere verzerrte Weltwahrnehmung und das "LOL2A-Prinzip"(1)

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von Philipp Flammer


Einleitung

Seit Jahren hält sich das Buch des Zürcher Betriebswirtschafters René Egli in den Toprängen der Schweizer Bestsellerliste der Sachbücher. Und spätestens seit dem öffentlichen Bekenntnis des Schweizer Skirennfahrers Didier Plaschy im Winter 1999 zum " LOL2A -Prinzip" hat dieses seine öffentliche Weihe als Wunderschlüssel zur mentalen Vervollkommnung erhalten. Egli hat inzwischen ein eigentliches LOL2A-Geschäft aufgebaut. In Oetwil an der Limmat führt er ein Institut für Erfolgsimpulse, gibt Manager-, Leadership-, Ferien- und Basisseminare und geht im ganzen deutschsprachigen Raum auf Tournee. Sein Prinzip wird inzwischen in rund 30 Regionalgruppen intensiv diskutiert. Die aufmerksame Leserschaft wird jedoch die Tatsache irritieren, dass sein im eigenen Verlag herausgegebenes Buch in Deutschland vom Ewert-Verlag vertrieben wird. Einschlägig bekannt wurde der Ewert-Verlag als Herausgeber der rassistischen und inzwischen verbotenen Machwerke von Jan van Helsing. Im Verlagsprogramm erscheint Eglis Buch neben revisionistisch rechtsextremer Literatur und Büchern aus der einschlägigen Sektenszene.(2) Im Rahmen ihres wissenschaftlichen Forschungsprojekts "Neue Trends der Esoterik" sind die beiden Österreicher Gugenberger und Schweidlenka immer wieder auf den Namen Egli und seinLOL 2A -Prinzip gestossen, und selbst van Helsing habe in seinen Büchern positiv auf Egli verwiesen.(3) Der Erfolg dieses Buches überrascht, macht nachdenklich und stutzig, zumal auch der Untertitel - "Die Vollkommenheit der Welt" - neben den Kriegsmeldungen aus dem Balkan wie blanker Zynismus erscheint. Grund genug also, seinem ideologischen Gehalt kritisch auf den Grund zu gehen. Zuerst interessiert mich, welchen Anspruch Egli mit seinemLOL 2A -Prinzip verbindet, dann werde ich die Antworten untersuchen, die Egli auf die Frage gibt, warum wir die Welt nicht so sehen, wie sie ist, um schliesslich in einem dritten Schritt zu rekonstruieren, wie die Welt wohl wäre, wenn tatsächlich alle Menschen und Völker sämtliche Probleme nach demLOL 2A-Prinzip lösen würden.

LOL2A: Die perfekte Lösung für alle Probleme.

Eglis Bestseller ist im beredten Stil eines Seminarvortrages geschrieben; Egli spricht seine Leserschaft in der Wir- und Sie-Form persönlich und herausfordernd an. Aus den Zitaten zu schliessen, welche viele Kapitel einleiten, muss Hesses "Siddhartha" eine Lieblingslektüre von Egli sein. Seinem Redestil kommt sehr entgegen, dass Egli von der sogenannten "Komplexität des Lebens" nichts hält. Die Wahrheit ist für ihn grundsätzlich einfach; nur die Experten würden halt "alles immer unheimlich kompliziert darstellen", um ihre Macht zu sichern (S. 45f). " LOL2A" meint denn auch nichts anderes als eine einfache mathematische Formel fürs Leben, die sich wie folgt liest: Loslassen x Liebe im Quadrat x Aktion = Reaktion.
Wie der Formelcharakter vermuten und die berühmte Formel für die Relativitätstheorie von Einstein (E = mc2) anklingen lässt, ist die Physik ein besonderes Steckenpferd von Egli. Immer wieder betont er, dass sein  LOL2A -Prinzip mit den Erkenntnissen aus der modernsten Physik wie der Quantenphysik und der Chaostheorie übereinstimme. Offenbar hätten nun auch Atomphysiker wie Jean E. Charon die tiefe Weisheit der alten Mystiker erkannt, dass jede Objektivität Illusion und die Welt immer nur das sei, was wir von ihr denken. Grossen Wert legt Egli zudem auf den Umstand, dass er von Hause aus Ökonom ist und dass Kosten-Nutzen-Überlegungen in seinem Leben eine zentrale Bedeutung haben. Seine Ausgangsfrage lautet denn auch: "Wie komme ich mit einem Minimum an Aufwand und so schnell wie möglich von einem IST-Zustand zu einem SOLL-Zustand?" (S. 15). Dabei meint Egli vor allem immaterielle IST-Zustände wie "Unzufriedenheit, Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit, Krieg etc." Seine Antwort fasst Egli am Schluss seines Buches wie folgt zusammen: "Das  LOL2A -Prinzip zeigt Ihnen, wie Sie Ihre Ziele immer schneller und schneller erreichen können - mit immer weniger Aufwand! Es sind dies die drei Stufen 'Aktion = Reaktion', 'Loslassen' und 'Liebe', welche diesen Weg beschreiben. Dieser Weg führt von wenig Liebe zu immer mehr Liebe; der Endzustand ist der Zustand der bedingungslosen Liebe und somit des kosmischen Bewusstseins. (...) Ein Mensch, der ganz stark in der Materie (Körper!) verhaftet ist, der braucht viel Aufwand, um seine Ziele zu erreichen; alles geht sehr zähflüssig, weil es für ihn gedanklich ja nur die schwere Materie gibt. Es ist recht mühsam. Ein Mensch, der sich gedanklich über die Materie erheben kann (Seele!), der erreicht seine Ziele mit weniger Aufwand; alles fliesst schneller. Und noch schneller fliesst es bei einem Menschen, der sich gedanklich auf dem Niveau des Geistes - und das heisst: der bedingungslosen Liebe - befindet." (S. 198, 200. Hervorhebung gemäss Original) Mit anderen Worten: Sein  LOL2A-Prinzip will eine universelle Problemlösungsmethode sein, die sofort und überall anwendbar ist und das "Leben innerhalb von 1 bis 3 Jahren total verändern" kann (S. 190): "im Privatleben, im Geschäftsleben, im Sport, in der Politik (Krieg/Frieden), in der Gesellschaft" (S. 15). Eglis einleitende Mutmassung, es könnte ja sein, dass das  LOL2A -Prinzip tatsächlich der Weg zur Lösung aller Probleme weise, verdichtet sich in seinen Ausführungen schnell zur absoluten Gewissheit und unverrückbaren Grundlage.

Warum wir die Welt nicht so sehen, wie sie ist. "Das menschliche Drama"

Nun würde man von einem ernsthaften ökonomischen Ansatz, der für den Übergang vom IST zum SOLL eine Lösungsstrategie vorschlägt, vorgängig eine genaue Analyse des IST-Zustandes erwarten. Was Egli in einem ersten von drei grossen Kapiteln über den IST-Zustand, über "das menschliche Drama" tatsächlich zu erzählen weiss, ist jedoch eher ein Nachhilfeunterricht in Psychologie oder Theologie der esoterischen Art und besteht aus einer reichen Sammlung diffuser und widersprüchlicher Aussagen. Im Zentrum seiner Darstellung des IST-Zustandes stehen nicht materielle Ressourcen- und Verteilungsprobleme, Bedürfnis- oder Angebotsanalysen, sondern allein der einzelne Mensch oder präziser: sein "begrenztes", "kleinkariertes" Bewusstsein. Nach Egli besteht das Hauptproblem des Menschen in "seinem ständigen Urteilen über Gut und Böse" (S. 19). Entsprechend definiert er das Paradies als einen "Geisteszustand" des "Nichturteilens, des Nichtaufteilens in Gut und Böse" (S. 19) und nimmt das Thema in verschiedenen Varianten immer wieder neu auf: Ur-teilen, Be-urteilen, Ver-urteilen, etwas weniger augenfällig aber auch Begriffe wie Analyse, Einmischung, Zweifel, Kritik - also jene zentrale Eigenschaften, die für einen aufgeklärten und verantwortungsbewussten Menschen unabdingbar sind - erscheinen in Eglis Sprachgebrauch lediglich als Synonyme für "Teilen", "Trennen" – einem Prinzip, das dem Leben widerspreche, denn: "Leben ist Einheit, Trennung ist Tod." (S. 143). Oder an anderer Stelle: "Die Idee der Trennung führt unweigerlich zu Konflikten; und Konflikte kosten unnötig Zeit und Geld. Konflikte sind nicht ökonomisch." (S. 93) In derselben Logik steht auch Eglis Abneigung gegen alles, was mit Ver-teilung zu tun hat: Versicherungen, Sozialstaat, Entwicklungshilfe, Verteilung von Arbeit und Lohngerechtigkeit - Institutionen und Themen, an denen er, seine eigenen Prinzipien vergessend, gerne mit viel Polemik herumkritisiert. Als zweites grosses Problem unterstellt Egli dem Durchschnittsmenschen, dass er sich bewusst zu einem machtlosen Wesen mache, denn "ein Mensch, der wirklich Macht hat, ist für sein Leben verantwortlich. Und das geht einigen dann doch zu weit" (S. 25). Ein ganzes Arsenal von "Tricks" benutze der Mensch, um sein eigenes "Potential" zu begrenzen: so Angst, die grundsätzlich "für nichts gut ist"; dann die "moralische Kultur" der Sünde als Synonym für kulturellen Niedergang; das Erfinden von Ausreden und die Suche von Schuldigen, die lediglich ein "Abschieben von Verantwortung" sei; weiter die Einmischung in die Angelegenheiten anderer, die nur Konflikte erzeuge; das Warten auf Hilfe von aussen; das Kompliziertmachen der täglichen Realität; und schliesslich die rationale Analyse und die Unfähigkeit, selbständig und logisch zu denken, präziser: die Unfähigkeit zu einer Sowohl-Als-Auch-Logik.

"Die unverrückbaren Grundlagen des LOL2A -Prinzips"

Ist der theoretische Ansatz in Eglis IST-Analyse noch luftig verpackt in Allerweltsbeispiele und nur diffus erkennbar, führt er im zweiten Buchteil die "unverrückbaren" esoterischen Grundlagen seines LOL2A -Prinzips detaillierter aus. Im wesentlichen sieht Egli zwei Gründe, warum der Durchschnittsmensch die Welt nicht so sieht, wie sie ist: Erstens, weil er nicht weiss, wie der Mensch tatsächlich funktioniert, und zweitens, weil es eine objektive Welt gar nicht gibt. Gemäss Egli verstösst der Durchschnittsmensch gegen drei Grundsätze seines wahren Funktionierens: 1. Er sieht nicht, dass jede Änderung zuerst und ausschliesslich bei ihm selber erfolgen muss und jede Einmischung in die Angelegenheiten anderer ein Verstoss gegen diesen Grundsatz ist. 2. Er erkennt die unbegrenzte Macht seines Denkens nicht, denn jeder Mensch kann nicht nur absolut alles denken, was er will, sondern verändert damit immer auch seine Zukunft. Mit anderen Worten: Die Welt, die der einzelne Mensch wahrnimmt, ist nichts als ein Spiegelbild seines willentlichen Denkens. Und 3. Er weiss nicht, wie er sein absolut grenzenloses "Potential" aktivieren kann. Gemäss Egli besteht das menschliche Potential aus einer "universellen Intelligenz" und aus Energie. Die "universelle Intelligenz", "die unabhängig ist von der Ausbildung und über die grundsätzlich jeder Mensch verfügt", helfe uns, die richtigen Entscheidungen zu treffen (S. 73). In anderen esoterischen Ansätzen wird diese "Intelligenz" auch als "wahres Selbst", "feinstofflicher Gottesfunke" oder "innerer Führer" bezeichnet. Und in Übereinstimmung mit diesen Ansätzen sieht Egli "die Aktivierung unserer universellen Intelligenz" für unabdingbar auf dem Weg zum "kosmischen Bewusstsein". Im Grunde will sein LOL2A -Prinzip nichts anderes als die perfekte Methode sein, jene "universelle Intelligenz", jene "Wirklichkeit des Nicht-Erklärbaren" für die mentale Vervollkommnung zu öffnen. In Abgrenzung zum analytischen und begrenzten "Kopfdenken" spricht Egli in dem Zusammenhang auch von "Herzdenken". Wenn Egli von Energie spricht, kokettiert er zwar wieder mit der Physik, zeigt dann aber mit seinen Ausführungen, dass sein Energieverständnis mit Bestimmtheit in keinem Physiklehrbuch zu finden ist. Seine Logik lautet zusammengefasst: Alles ist Energie, somit ist auch der Mensch Energie; Energie ist Schwingung und Schwingung kann durch unser Denken beliebig verändert werden, somit ist auch der Mensch beliebig entwicklungsfähig; Energie ist unvergänglich, somit ist auch der Mensch unsterblich; Energie und Intelligenz sind grenzenlos, somit ist auch das menschliche Potential grenzenlos. Krankheiten, Aggressionen, Konflikte, Unzufriedenheit sind alles Schwingungen, die allein durch unser Denken harmonisiert werden können. Und schliesslich: "Wenn es einem Menschen gelingt, seine Schwingungen beträchtlich zu erhöhen, dann kommt logischerweise der Moment, wo er unsichtbar wird. Das hat nichts mit Mystik oder Magie zu tun, sondern mit Physik." (S. 80) - eine Behauptung, die in ihrer Absurdität der "neunten Einweihung" in einem anderen esoterischen Bestsellerroman gleichkommt, in James Redfields "Prophezeiungen von Celestine". Für das Funktionieren des Kosmos sind gemäss Egli zwei weitere Gesetzmässigkeiten von Bedeutung: Alles hängt mit allem zusammen, was bedeute, dass an jedem Punkt des Universums die Information über das Ganze vorhanden sei; und: Alles kommuniziert mit allem. "Sie kommunizieren mit allem im Kosmos und der Kosmos kommuniziert mit Ihnen! Die Frage ist nur, ob Sie zuhören." (S. 96). Wie widersprüchlich seine Aussagen klingen, ist Egli wohl nicht bewusst, wenn er unter Berufung auf die Physik und die Erkenntnistheorie des Radikalen Konstruktivismus einschiebt, dass wir "total imprägniert sind von einem ganz bestimmten Weltbild, dem Bild einer objektiven Welt, die für alle Menschen gleich ist. Und diese Welt gibt es nicht." Die Welt sei immer genau das, "was Sie von ihr denken! Und das gibt Ihnen die Macht, Macht über die ganze Welt, über Ihre Welt." (S. 85) Offensichtlich benutzt Egli die Physik, um die grosse Glaubwürdigkeit, welche die Physik in unserer Gesellschaft geniesst, für seine esoterische Überzeugungsarbeit zu nutzen. Gleichzeitig kann er sich einen falschen Umgang mit physikalischen Begriffen leisten, weil die meisten Leser esoterischer Literatur Nichtphysiker sind und sich wohl auch in der Schule mit Physik schwergetan haben. Der Physiker Martin Lambeck hält denn auch fest: "Diese Mischung von Glaubwürdigkeit und Undurchschaubarkeit (PF: der Physik) erscheint als der Nebelschleier, hinter dem die Beliebigkeit des vertikalen Weltbildes den Esoterikern ein weder demokratisch noch wissenschaftlich legitimiertes Manipulations- und Drohpotential bereitstellt."(4)

LOLA und die "Vollkommenheit der Welt"

Wir erinnern uns: Loslassen x Liebe im Quadrat x Aktion = Reaktion.

"Loslassen"

Mit Loslassen meint Egli "den schnellsten und kostengünstigsten Weg zur Erreichung aller Ziele" (S. 131) und das Schlüsselprinzip für die Art und Weise, wie die "universelle Intelligenz" aktiviert werden kann: "Akzeptieren Sie das, was IST – wie 'schlimm' es auch sein mag" (S. 134), etwas nicht akzeptieren heisst, etwas verurteilen und damit das Leben blockieren. Und sinngemäss weiter: Denken Sie nicht an den Weg, halten Sie sich nicht an irgendwelche Strategien; kämpfen Sie nicht für das SOLL-Ziel oder gegen den IST-Zustand; konzentrieren Sie sich nicht zu sehr auf die Zielsetzung und vor allem zweifeln Sie nicht an der Zielerreichung.
Möglicherweise wäre Eglis ständig loslassender Mensch so perfekt "flexibel", wie ihn die freie globale Marktwirtschaft wünscht. Und für Leute in stressigen Grenzsituationen oder unter Leistungsdruck mögen solche Empfehlungen für sich genommen auch helfen, jenen sprichwörtlichen tranceartigen Bewusstseinszustand zu erreichen, in dem scheinbar ohne besondere Zusatzleistung alles wie am Schnürchen läuft, in dem potentielle Sieger sich mental zur absoluten Meisterschaft aufschwingen können. Im esoterischen Kontext hingegen erhält "Loslassen" einen skeptisch machenden Unterton, den Egli schliesslich auch bestätigt, wenn er schreibt: "Loslassen heisst also: Leben im Hier-und-Jetzt. Es heisst: Loslassen des eigenen kleinen Ichs (Ego, erste Wirklichkeit, Kopfdenken), damit das Grosse ICH (zweite Wirklichkeit, Herzdenken, Gott) wirken kann." (S. 156). Mit anderen Worten: Gib Deinen Verstand auf und vertraue blind der Behauptung, dass eine irrationale Intelligenz Dir den richtigen Weg weist; folge dem Strom der esoterischen Lemminge. Versucht man zudem, sich ein ständig loslassender Mensch im Alltag vorzustellen, kann einem auch leicht das Grausen befallen. Angenommen, ein solcher Mensch ist auf ein bestimmtes Ziel programmiert, könnte ihn nichts mehr von seiner Zielsetzung abbringen. Jedes sich ihm bietende Mittel zur Erreichung des Zieles wäre ihm recht. Kritik, die ihn eines Besseren belehren könnte, würde er als "schlimme" Umweltbedingung ohne weitere Gefühlsregung akzeptieren. Terminator lässt grüssen. Eglis loslassender Mensch ist ein perfekter Befehlsempfänger.

 "Liebe im Quadrat"

 Wenn Egli am Schluss seines Buches auf die zentrale Bedeutung der Liebe zu sprechen kommt, so wirkt dies nach all dem bisher Gelesenen seltsam und wie eine Kompensation für sein ansonsten herz- und liebloses Menschenbild. Bedenkt man, dass Egli das Modell einer "nicht-objektiven" Gesellschaft skizziert, in der jeder Mensch in seiner höchst eigenen und absolut selbstverantworteten Welt lebt, und lediglich vermittelt über eine okkulte Überwelt mit anderen Geistwesen kommuniziert, ein Modell also, in dem objektive soziale Beziehungen undenkbar sind, kann es kaum erstaunen, dass Egli auch eigenartige Vorstellungen von Liebe hat. Für ihn ist Liebe "ein Gefühl der Einheit", "die stärkste Macht im Kosmos" und die "Abwesenheit von Konflikt". Liebe ist das Gegenteil von Angst, führt zu einem Maximum an Energie und Intelligenz, zu einer Bewusstseinserweiterung, und geht den Weg des geringsten Widerstandes: "Wenn ich in diesem Buch von Liebe spreche, so meine ich damit bedingungslose Liebe. Liebe also, die keine Bedingungen stellt. Die einfach liebt. (...) Von Liebe also, die nicht urteilt; die nicht teilt. (...) Durch Ihre Bereitschaft (...) zu sagen: Ich will lieben, wandeln Sie im Licht und es kann Ihnen nichts, wirklich nichts Schlechtes geschehen." (S. 168 f) Für Egli haben "Liebe und Dankbarkeit nichts mit Schwäche und Armut zu tun - im Gegenteil. Liebe hat sehr viel mit Macht und Wohlstand zu tun. Das ist nichts als logisch; wenn Liebe die stärkste Macht ist im Kosmos, dann wäre es absurd, wenn Liebe irgendetwas mit Armut, mit Schwäche zu tun hätte. (...) Der Mensch, mit seinem begrenzten und begrenzenden Denken, hat den Mangel, hat Armut geschaffen. Auch Armut ist demzufolge eine Zeichen von mangelnder Liebe. Schauen Sie um sich: Armut, Hunger, Aids, Drogen, Arbeitslosigkeit, bewaffnete Konflikte, Aggressionen etc. etc. - alles eine Folge mangelnder Liebe, mangelnder Dankbarkeit." (S. 189). Wohl nicht erstaunlich ist denn auch, dass die Selbstliebe Eglis liebste Liebe ist (S. 178 ff).
Eglis liebender Mensch ist also ein gefrässiger, selbstverliebter Egomane, der ausser einer bedingunglosen Hingabe an eine diffuse Einheit keine Mitgefühle für seine Umwelt kennt und sich auch nicht für das Geschehen um ihn herum mitverantwortlich fühlt. Eglis liebender Mensch ist ein zutiefst asozialer Mensch. Man kann nur hoffen, dass wenigstens diese diffuse Einheit mehr Sinn für soziale Beziehungen hat.

Die Welt als "Aktion = Reaktion"

Zur Herleitung seines Gesetzes von "Aktion = Reaktion" bemüht Egli wiederum die Physik und "objektiviert" Gedanken als "Energiekörper", die eine "Tendenz, sich zu verwirklichen" hätten (S. 103). Gedanken würden sich wie physikalische Kräfte verhalten: "Kein Gedanke geht verloren", "jeder Gedanke kehrt zum Sender zurück", "was immer Sie denken, es kommt zu Ihnen zurück!" (S. 105) und weil es im geistigen Bereich keine Widerstände gibt, kommen die Gedanken mit der gleichen Energie und unabhängig von jeder Distanz zurück, wie sie weggeschickt wurden (S. 108). In dieser "Gesetzmässigkeit" sieht Egli die grösste Gerechtigkeit im Kosmos. Mit anderen Worten: "Niemand wird zufällig angespuckt, niemand wird zufällig ausgeraubt, und niemand wird zufällig umgebracht." (S. 109. Hervorhebung gemäss Original).
Einmal abgesehen davon, dass eine solche Objektivierungskraft der Gedanken absurd und unhaltbar ist, impliziert dieses Modell von "Aktion = Reaktion" einige höchst bedenkliche soziale Vorstellungen. So meint "Aktion = Reaktion", dass jeder für sein Wohl und sein Leiden absolut selbst verantwortlich ist. Mitleid ist in keiner Weise angebracht, denn jeder erfährt genau das, was ihm kraft seiner Gedanken zusteht: Armut, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Krieg und Vertreibung, aber auch lukrative Börsengewinne, Gesundheit, Reichtum und Erfolg. Eine gerichtliche Verfolgung von kriminellen Übergriffen wird nicht nur überflüssig, sondern ist offensichtlich auch gefährlich, denn: "Wer einen anderen richtet (Aktion), der wird selbst gerichtet (Reaktion). Das ist das universelle Gesetz." (S. 111). Und eingedenk von "Aktion = Reaktion" tut man auch gut daran, seine Gedanken einer "positiven" Zensur zu unterwerfen, denn sobald "ein negatives Ereignis stattfindet, regen wir uns auf und geben diesem negativen Ereignis noch zusätzliche Energie, was bedeutet, dass wir die negativen Ereignisse fördern." (S. 115. Hervorhebung gemäss Original). Aber auch das Lesen negativer Zeitungsmeldungen fördert nur die Idee der Aggression. Und dass Drogenprobleme zunehmen, ist letztlich den Anti-Drogenkampagnen zuzuschreiben, die "dem Drogenproblem ja laufend Energie zuführen" (S. 115). Das Gesetz von "Aktion = Reaktion" bietet somit eine Rechtfertigung zum Verdrängen, zum Verleugnen, zum Wegschauen von dem, was uns stört. Gemäss Egli wirkt das Gesetz und das damit verbundene Prinzip der "totalen Selbstverantwortung" aber weit über den Tod hinaus und macht nur Sinn, wenn "wir von der Wiedergeburt, von der Reinkarnation ausgehen." (S. 124). Im Konsens mit der Esoterik geht er davon aus, dass der unsterbliche Geistkörper des Menschen in einem endlosen Kreislauf zwischen materieller Welt und jenseitiger Astralwelt zirkuliert: "Was für uns als Tod erscheint, ist aus der Sicht der Astralwelt eine Geburt. Was für uns als Geburt erscheint, ist aus der Sicht der Astralwelt ein Tod. (...) der Tod existiert nicht. Leben kann nie, niemals, getötet werden." (S.124).(5) Ausgehend von dieser Vorstellung folgert Egli nun: "Dieses Gesetz (Aktion = Reaktion) ist natürlich auch universell gültig, das heisst: über den Tod hinaus. Es kann sein, dass die Reaktion auf eine bestimmte Aktion erst in einem späteren Leben erfolgt." (S. 126). Mit Blick z.B. auf flüchtige Kriegsverbrecher könnte eine solche Vorstellung zwar tröstlich sein. Aber Egli sieht ganz andere Konsequenzen mit seinem "Gesetz" verbunden: "Wer auf diese materielle Welt kommt, der hat sich eine bestimmte Aufgabe vorgenommen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, braucht es gewisse Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen schafft er sich, indem er sich seine Eltern auswählt. Mit der Auswahl der Eltern hat er natürlich gleichzeitig die Rasse, die Hautfarbe, die Region, die Nation ausgewählt. Und zwar nicht zufällig." (S. 125) Das Beispiel eines missgebildeten Kindes einer Alkoholikerin aufnehmend schreibt Egli: "Der Geist kann bis zu 12 Monate nach der Geburt warten, bevor er definitiv in den Körper eines Neugeborenen eintritt. (...) Wenn es nicht der Wunsch des betreffenden Geistes war, einen gehirngeschädigten Körper zu bewohnen, wird das Kind sterben." (S. 126). Also: Ein missgebildetes Kind hat sich nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Eltern selber ausgesucht. Es soll sich also niemals über sein Schicksal beklagen, geschweige denn Hilfe erwarten. Eglis haarsträubende Behauptungen werden nicht besser, wenn man feststellt, dass sie widersprüchlich sind: Sucht sich das Kind nun seinen Körper, seine Eltern selber aus? Oder sind der missgestaltete Körper und die drogensüchtige Mutter lediglich die Reaktion auf eine Aktion des Kindes in einem früheren Leben?

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden: "Aktion = Reaktion" ist eine feudalistische Weltanschauung, indem sie den Wohlstand und die Macht der "positiv Denkenden" ebenso legitimiert wie sie die Ansprüche weniger Bemittelter und Unterdrückter kategorisch als selbstverschuldet in die Schranken weist. Insgesamt legt Egli mit seinen irrationalen Vorstellungen eine weltanschauliche Grundlage, die soziale Verantwortung und jedes Insistieren auf soziale Gerechtigkeit in dieser materiellen Welt nicht nur als überflüssig, sondern gar als schädlich erscheinen lässt, denn ein solches Insistieren würde gegen das sogenannte "Gesetz" von "Aktion = Reaktion" verstossen. "Loslassen x Liebe im Quadrat x Aktion = Reaktion" ist eine weltanschauliche Formel, die sich als Grundlage für totalitäre Machtideologien eignet. Bedenklich, dass ein solches Buch auf der Bestsellerliste figuriert. Liegt es an der Ignoranz der Lesenden oder trifft solches Gedankengut tatsächlich auf so viel Resonanz?

Anmerkungen

(1)    Egli, René, 1994. Das LOL2A -Prinzip oder Die Vollkommenheit der Welt. Editions d`Olt: Oetwil a.d.L. In einer Kurzversion stellte Philipp Flammer das LOL2A -Prinzip an der Tagung vom 13./14. November 1998 mit dem Thema „Psycho: Therapien zwischen Seriosität, Scharlatanerie und Ausbeutung“ in Zürich vor.
Lola- Homepage: http//www.onside.de/lola/index. htm

(2)     Zum Ewert- Verlag siehe: Gugenberger, Eduard, u.a., 1998.
Weltverschwörungstheorien, S. 203 ff. Deuticke Verlag: Wien, München.

(3)     Schweidlenka, Roman, 1999. LOL2A auf Erfolgskurs. In: Materialdienst der EZW ,3/99, S.90-93. Quell Verlag: Stuttgart. Zu finden auf der Homepage: http://www.ekd.de/ezw/ftexte/info0399.html

(4)    Lambeck, Martin, 1998. Esoterik und Physik. In: EZW- Texte Nr.141, S. 23. Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen:Berlin

(5)    Was solche Vorstellungen hinsichtlich der Senkung von Todeshemmungen bedeuten können, wäre eine eigene Reflexion wert.

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