Darstellung und Stellungnahme zur „International Christian Fellowship“ ICF (Friess, 2003)

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von Sonja Friess


Aktuelle Entwicklungen (Stand August 2009)

Seit dem Zeitpunkt der Darstellung und Stellungnahme von Sonja Friess (1. Juli 2003) hat ICF einige Anpassungen und Erweiterungen der Aktivitäten vorgenommen. 

„smallgroups“ ersetzen G/12
Die „G/12“ Gruppen, welche wegen des hierarchischen Pyramidenprinzips stark kritisiert wurden, heissen jetzt neu „smallgoups“ (Kleingruppen). ICF vergleicht die smallgroups mit Hauskreisen, wie sie in anderen Freikirchen üblich seien. Auf der Homepage von ICF (www.icf.ch) hiess es 2006, dass es 250 smallgroups gebe, die sich wiederum aus sechs bis zwölf Frauen oder Männern zusammensetzten. Die Geschlechtertrennung bleibe weiterhin bestehen.
„In den smallgroups geniessen wir die Gemeinschaft untereinander, die jedes Mal wächst, wenn wir zusammen sind. Hier feiern wir gemeinsam, beten füreinander und unterstützen uns gegenseitig in Herausforderungen, die das Leben an uns stellt. Das gemeinsame Erleben von Gottes Liebe, Kraft und Heilung in unseren Leben ist der Ansporn unserer Treffen. Wir beschäftigen uns mit den Themen, die wir in den celebrations am Wochenende gehört haben. Es ist unser Wunsch, dass wir in den smallgroups wöchentlich Geschichten hören von Menschen, die Gott fern waren und ihn gefunden haben; von Menschen, die einsam waren und jetzt Gemeinschaft erleben; von Menschen, die gelitten haben und jetzt geheilt sind; von Menschen wie dir und mir, die Gott lieben von ganzem Herzen.“ (Zitat von www.icf.ch, Datum 31.8.2006)

Sozial-Diakonie: Die Stiftung ACTS
Ende 2006 gründete die ICF ihre Stiftung „ACTS“, die nach eigener Aussage einen sozial-diakonischen Auftrag verfolgt. Im Rahmen von ACTS werden unter anderem Kindertreffs, Kindertagesstätten, ein spezieller Treffpunkt für Mädchen sowie verschiedene Beratungshilfen angeboten, so zum Beispiel „Personal Money Management“ oder „Job Search“. Aber auch Seelsorge oder die „Opengroup“, eine Gruppe für den Austausch über religiöse Erlebnisse, gehören zu ACTS. Eine Vision ist die Gründung einer Jugendherberge in Zürich, in der auf „praktische Art und Weise das Evangelium vorzuleben“ das Ziel ist. Im Januar 2008 wurde hierfür die „Sweese Hostel GmbH“ als Tochtergesellschaft der ACTS gegründet (1). ACTS kann für die ICF-AnhängerInnen über ihre eigene Handyrechnung unterstützt werden, da ICF über die Firma TRIOTEL ein Abo geschaffen hat, bei dem bis zu 10 Prozent des monatlichen Gesprächumsatzes der Stiftung gespendet wird. Auch die Ausgaben für das Festnetz oder für den Internetanschluss können so genutzt werden. (2)

College
Ende 2008 gründet die ICF ein College, in dem Interessierte in einem Jahreskurs in drei Fächern unterrichtet werden: Bible Challenge (Bibelwissen), Life Challenge (Jüngerschaft) und Leadership Challenge (Leiterschaft). Das College dauert sechs bis zwölf Monate, der Einstieg ist halbjährlich möglich. Die Kosten betragen zwischen 1350 und 2500 Franken pro Jahr. Unterrichtet wird jeweils ein halber Tag die Woche, dazu kommen 5 Stunden Selbststudium der Teilnehmenden. Wöchentlich werden Prüfungen abgelegt, die bestanden werden müssen. Höchstens zwei Absenzen pro Semester sind toleriert. Wer die teurere Variante wählt, das IFC College Plus!, der wird während zwei zusätzlichen Tagen in die ICF Ministries, die Organisation der ICF, eingebunden und arbeitet dort mit. Ein „persönlicher Coach“ begleitet ihn. Im Juli 2009 bekommen 30 Absolventen im Alter von 16 bis 57 Jahren als erste Abgänger ihr Diplom. Der nächste Kurs im Herbst 2009 sei mit 46 Anmeldungen restlos ausgebucht. (3)

Neugründung der „Eventhouse Rapperswil GmbH“
Im Oktober 2008 wird die „Eventhouse Rapperswil GmbH“ als 100%-Tochtergesellschaft des Vereins ICF Activities gegründet. Diese Firma soll den Betrieb, den Unterhalt und die Vermietung bei Eventlocations übernehmen. Im April 2009 gelangt diese Verbindung zur ICF bei der Miete eines Winterthurer Kinos über die Medien an die Öffentlichkeit (4). Bei den Verhandlungen mit dem Kinoeigentümer hat sich ICF als „Eventhouse Rapperswil GmbH“ ausgegeben. Sektenspezialist Georg Otto Schmid findet das verdeckte Vorgehen der ICF für ihre Events typisch sektiererisch. „Eine normale Freikirche würde mit ihrem Namen geradestehen“, so Schmid (5). ICF hingegen teilt mit, sie habe die Tarnung bei der Miete aus „rein betrieblichen Überlegungen“ entschieden, man wolle Kirche und übriges Geschäft trennen. (6)

Wachstum der Organisation
Laut ICF-Pressesprecher Daniel Linder besuchen im Schnitt 2200 Personen die Anlässe in der Stadt Zürich. Im Zürcher Oberland ist ein eigener Verein tätig, in Rapperswil eine eigene Filiale bereits gegründet, in Winterthur sind bis anhin Säle – das ehemalige Kino Palace – gemietet (7). Nach eigener Aussage der ICF steigen die Besucherzahlen noch immer, so sollen insgesamt über 2500 Besucher regelmässig zu den Celebrations im Raum Zürich kommen (im Jahr 2006 waren es noch 2000). (8)

Schlussbemerkung infoSekta
infoSekta ist skeptisch, ob die formelle Neubenennung der Gemeindestruktur sowie neu gegründete Teilgruppen wie ACTS auch zu einer inhaltlichen Änderung geführt haben. Das Credo auf der ICF Homepage „Wir halten uns in der Umsetzung dieser Vision an ein Konzept mit vier Schritten: gewinnen – festigen – trainieren – beauftragen“ geht über das wöchentliche Bibelstudium und Treffen hinaus und stellt das Missionieren nach wie vor stark in den Mittelpunkt.

 

Fussnoten
(1)Alle Informationen zu ACTS auf www.icf.ch (Stand 6.8.2009). 
(2)Ebd.
(3) www.jesus.ch (Stand 23.7.2009)
(4) Landbote, 17.4.2009.
(5) www.kath.ch (Stand 15.4.2009).
<(6) Ebd.
(7) Tages Anzeiger, 11.4.2009.
(8) www.20minuten.ch (Stand 14.11.2008). 

 

infoSekta / Seraphina Zurbriggen, Überarbeitung 5. 8. 2009 Julia Stüssi.

 

Einleitung

In ihrer Beratungstätigkeit sieht sich infoSekta zunehmend mit der „International Christian Fellowship“ (ICF) konfrontiert, die ausgehend von Zürich in den letzten Jahren in der ganzen Schweiz und selbst in Deutschland Fuss gefasst hat. Die ICF spricht durch ihr trendiges Auftreten vorwiegend Jugendliche und junge Erwachsene an und stösst in diesen Altersgruppen auf grosse Resonanz. Da besorgte Anfragende darüber berichten, dass sich ihre Freunde und Angehörige durch den Beitritt von ihnen entfremden, sieht sich infoSekta veranlasst, zur ICF Stellung zu beziehen. Die Stellungnahme orientiert sich an dem im Leitbild aufgestellten Kriterienkatalog, der es ermöglicht, eine Gruppe umfassend einzuschätzen (1). Durch ihn werden nicht nur die Gruppenstruktur und das Selbstverständnis der Gruppenleitung, sondern auch der Geltungsanspruch der vertretenen Lehre kritisch beleuchtet. Die Frage nach dem Verhältnis der Mitglieder untereinander und deren Einbindung in die Gemeinde wird dabei besonders berücksichtigt. Die Stellungnahme der infoSekta basiert weitgehend auf der Auswertung interner Schulungsunterlagen, aber auch auf Gesprächen mit Ehemaligen und Personen, die sich in der ICF engagieren und deren Glaubensbekenntnisse teilen. Zudem fand ein Gespräch mit Daniel Linder, Vorstandsmitglied und Mitglied des Leitungsteams der „icf-zürich“, statt.

Darstellung der ICF: 1.1. Geschichte

Die ICF wurde im Jahre 1990 von Heinz Strupler ins Leben gerufen und bezeichnete zu Beginn ihrer Existenz einen denominationsübergreifenden Gottesdienst, aus dem schon bald verschiedene Gemeindegründungen wie die Limmat-Gemeinde um Matthias Bölsterli resultierten. Im Jahre 1996 übergab Heinz Strupler die Gesamtleitung an Leo Bigger, bislang Prediger an den Gottesdiensten, worauf die ICF mit der Limmat-Gemeinde fusionierte. Die Tatkraft von Leo Bigger, der seine „visionären Ideen einer neuen Kirche“ umsetzte, wurde somit ergänzt „durch die charismatischen Ausstrahlung und pastoralen Fähigkeiten“ von Matthias Bölsterli (2). Obschon organisatorisch Leo Bigger die Aufgabe des Senior Pastors und Matthias Bölsterli diejenige des Junior Pastors übernahm, zeichnen sich beide für die Ausrichtung und die Lehre der ICF verantwortlich. So spricht Leo Bigger von der Notwendigkeit, die Leitung zu zweit zu realisieren, um eine einheitliche Linie zu gewährleisten (3). Seit dem Jahre 1997 finden die Gottesdienste am Sonntag in der Alten Börse in der Stadt Zürich statt, wobei sich die Büroräumlichkeiten an der Hönggerstrasse befindet. Da die Benützung von zwei verschiedenen Standorten mit grossem administrativen Aufwand verbunden ist und sich deren Miete monatlich auf rund 40'000.- Franken beläuft, ist seit längerer Zeit geplant, eigene Räumlichkeiten zu beziehen. Da bis heute allerdings kein für einen Neubau geeignetes Gelände oder ein passendes zu erwerbendes Gebäude gefunden werden konnte, wird in diesem Jahr vorübergehend in ein gemietetes Gebäude im Maag-Areal beim Escher-Wyss-Platz Einzug gehalten. Die Räumlichkeiten umfassen neben den Büros auch eine grosse Halle, in der voraussichtlich ab dem Jahr 2004 die Gottesdienste durchgeführt werden. Die Miete beträgt allerdings ebenfalls. 50'000.- Franken, für den notwendigen Umbau sind weitere drei Millionen veranschlagt.

Darstellung der ICF: 1.2. Organisation

Die ICF in Zürich besteht aus dem Verein „icf-zürich“ und zwei weiteren Vereinen, die „icf-unlimited“ und „icf-irie vibes“, die allerdings als Geschäftszweige der „icf-zürich“ unterstehen, wie dies im Organigramm der ICF deutlich wird (4). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die ICF Geschäftszweige als eigene Vereine konzipiert, wenn dies aus buchhalterischen Überlegungen und aus Erfordernissen der Organisationsentwicklung vorteilhaft erscheint (5). Personell setzen sich die Vorstände der drei Vereine aus Leo Bigger, Matthias Bölsterli, Bruno Bigger und Daniel Linder zusammen, die gleichzeitig einzige Vereinsmitglieder sind. Zudem sind sie Mitglieder des siebenköpfigen Leitungsteams, das Geschäftsleitungsfunktionen inne hat. Die ICF ist hierarchisch aufgebaut, wobei die letztliche Verfügungsgewalt bei Leo Bigger liegt, das Leitungsteam allerdings im Entscheidungsprozess involviert ist.

 Die ICF ist in zehn Geschäftszweige unterteilt. Der bereits erwähnte Verein „icf-unlimited“ ist für den Aufbau neuer „icf-churches“ und für die Schulung von zukünftigen Pastorinnen und Pastoren zuständig. In Kursen werden interessierte Personen für den Aufbau eigener Gemeinden gerüstet und in Bereichen wie Rhetorik, Projektmanagement und Wachstumsstrategien ausgebildet. Neu gegründete ICFs in anderen Städten treten zwar als eigenständige Vereine auf, bleiben aber über Ausbildungs- und Coachinggruppen mit der „icf-zürich“ verbunden.

Auch der Verein „media store“ bildet einen eigenständigen Geschäftszweig, dem das hauseigene Musiklabel „icf-irie vibes“ als Tochtergesellschaft angeschlossen ist. Der „media store“ vertreibt Bücher, Videos und CDs, die aus Eigenproduktionen stammen, aber auch zugekauft werden und die an Ständen während den Gottesdienstzeiten erworben werden können.

Weitere Geschäftszweige leiten sich aus dem altersspezifisch differenzierten Angebot der ICF ab. So existiert ein Ministry „Chinderexpress“, der für Kinder bis zu zwölf Jahren zuständige Geschäftszweig, ein Ministry „Youth Planet“ für Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren und neu ein Ministry „Zwänzger“ für junge Erwachsene zwischen 20 und 25 Jahren. Generationsübergreifende Angebote wie Seelsorge, Lager, Sport und Betreuung der g/12-Gruppen bilden ebenfalls einen Geschäftszweig, der von Mathias Bölsterli geleitet wird.

Finanziert wird die ICF über Spenden der Gläubigen, die der Gemeinde den sogenannten „Zehnten“, das heisst zehn Prozent ihres Einkommens abgeben. Für ausserordentliche Aufwendungen werden zudem spezielle Spendenaktionen durchgeführt. Um beispielsweise den immer noch geplanten Neubau finanzieren zu können, wurden die Gläubigen zu sogenannten „Commitments“ aufgefordert. Es handelt sich dabei um Zugeständnisse oder Einschränkungen, welche sie für die Kirche auf sich nehmen, indem sie beispielsweise in Wohngemeinschaften zusammenziehen, günstiger in die Ferien reisen oder auf Fleisch und Wein verzichten. Das so eingesparte Geld wird der Kirche überschrieben. Für den Neubau konnten damit bisher dreieinhalb Millionen Franken gesammelt werden, was allerdings dem auf anfangs Jahr 2002 gesetzten Ziel von fünf Millionen Franken nicht entsprach (6). Der Umbau des gemieteten Gebäudes in Zürich Aussersihl soll ebenfalls massgeblich durch solche zusätzlichen Spenden bestritten werden. So werden die veranschlagten drei Millionen zu einer Million über die bereits eingenommenen Spenden für den Neubau gedeckt, die restlichen zwei Millionen müssen von den Gläubigen erneut aufgebracht werden. In den drei Monaten seit der Bekanntmachung des Vorhabens anfangs April 2003 wurden gemäss der Website der ICF bereits rund eine halbe Million gespendet.

Während es der ICF in den ersten Jahren ihres Bestehens gelang, ihre Erwartung eines jährlichen Wachstums zu erfüllen, scheint die Zahl der Gottesdienstteilnehmenden in Zürich zu stagnieren. So spricht die ICF auf ihrer Website von rund 2000 Besucherinnen und Besuchern, wobei Matthias Bölsterli bereits im Jahr 2000 von dieser Zahl ausging (7). Rund 1000 der Gottesdienstbesuchenden treffen sich zudem wöchentlich in sogenannten g/12-Gruppen, die in der Tradition von Bibelkreisen im privaten Rahmen stattfinden.

Darstellung der ICF: 1.3. Lehre

Nach der Interpretation der ICF erhält die Bibel als inspiriertes Wort Gottes unmittelbare Gültigkeit im Leben der Gläubigen und liefert Antworten auf alle wichtigen Lebensfragen (8). Verständlich wird die Bibel aber insbesondere durch das Wirken des Heiligen Geistes, der die Aussagen der Bibel „aufschlüsselt“ (9). Obschon die Bibel als eindeutig erachtet wird, erhält der Gläubige gemäss der ICF erst durch die „Vermittlung“ des Heiligen Geistes Zugang zur endgültigen Wahrheit. Das „Hören auf Gott“ wird damit zentraler Bestandteil der religiösen Erfahrung.

Nach Daniel Linder ist die ICF in ihren Aussagen prägnanter, klarer und schärfer als andere Kirchen und vermittelt die fundamentalen Positionen der Bibel (10). Das Leben mit Gott wird vom sündigen Leben ohne Gott scharf abgegrenzt. Bereiche des Zweifels und der Unsicherheit gibt es nicht: „Neutrale Zonen gibt es nicht in deinem Leben als Christ. Entweder beeinflusst dich Gott oder der Satan (11). Indem der Gläubige durch die Bekehrung zu Jesus in eine persönliche Beziehung zu Gott tritt, wird er von seinem sündigen Zustand erlöst und erhält damit eine eigene Identität. Mit Schlagworten wie „total daneben“ wird auf das Leben unbekehrter Menschen verwiesen, wodurch der Dualismus von Gut und Böse in einer einfachen und eingängigen Sprache vermittelt wird. In diesem dualistischen Weltbild werden nicht-gläubige Menschen zu unvollkommenen und unvollständigen Menschen. Das Leben mit Jesus wird hingegen mit strengen Vorschriften verbunden, da Satan in der Welt allgegenwärtig ist und die Gläubigen durch Zweifel und Verführung in ihrem Glauben zu beirren versucht. So geht die ICF beispeilsweise davon aus, dass die „Kultur, in der du lebst, (..) in Feindeshand“ ist (12). Satan würde sich verschiedener Strategien bedienen, um die Gläubigen von Gott wegzulocken, und versuche sie durch Musik, Medien, Spielfilmen etc. zu lenken. Nur wer stets nach Gottes Willen lebt, ist vor diesem Einfluss bewahrt. Sünde, ausserehelicher Geschlechtsverkehr, Homosexualität, Drogenkonsum, Lügen, Okkultismus und Wahrsagerei widersprechen laut der ICF diesem Willen und stellen damit Einfallstore für Dämonen dar. Mögliche Erkennungsmerkmale für die Besessenheit von Dämonen sind 

         zwanghaftes Verhalten

         Süchte

         Zornausbrüche

         psychische Krankheiten

         körperliche Krankheiten

         Selbstzerstörung

         Magie

Deren Austreibung während einem sogenannten Befreiungsdienst führt zur Gesundung und zur Heilung der von Dämonen Befallenen (13).

Eigentlicher Sinn ihres Bestehens sieht die ICF gemäss Daniel Linder darin, die Botschaft der Erlösung durch Jesus in die Welt zu tragen, wodurch sie sich stark auf Mission ausrichtet (14). Die Verkündung des Evangeliums und die Bekehrung weiterer Menschen wird als Dienst an Gott und als Errettung der Menschheit verstanden. Die ICF verfügt aus diesem Grund über ein klares Konzept, um die „Message, die gut für die Menschen ist“ zu verbreiten(15). Gemäss ihrem Bestreben nach Wachstum bewahrt sich die ICF eine grundsätzliche Offenheit gegenüber neuen Trends und religiösen Praktiken aus anderen Freikirchen. Was die Gemeinschaft fördert und die Gläubigen anspricht, wird aufgrund seiner Wirkung auf das Gemeindewachstum in die Predigt aufgenommen. Auf Inhalte der Bibel, die nicht unmittelbar die Erlösung durch Jesus betreffen, kann damit nach Belieben Bezug genommen werden, sodass sie von Daniel Linder als „Beigemüse“ abgetan werden (16). Das gemeinsame sinnliche und auch lustvolle religiöse Erleben bleibt von zentraler Bedeutung.

Charismatische Anteile zeigen sich insbesondere in der Taufe durch den Geist und in der Gewichtung der Gaben. Mit Hilfe des Buches „Nr. 1: Entdecke, wer Du bist – Finde Deinen Platz“ von Leo Bigger sollen Gläubige ihre individuellen Gaben und Befähigungen erkennen, um im „Einklang“ mit Gottes Plan für sich selbst „glücklich“ zu leben (17). Die „Gaben des Geistes“ umfassen ein Sammelsurium von verschiedenen Tätigkeiten wie beispielsweise Evangelisation, Lehre, Barmherzigkeit und Dienen, aber auch „Auslegung von Zungenreden“, Prophetie, Wundertaten und Heilung, für die sich einzelne Menschen auszeichnen. Da die Gaben zum Nutzen für die ganze Gemeinde sind, sollen sie im Dienst an der Kirche zur Anwendung kommen. Um die Gläubigen bestmöglich einzusetzen, werden die dem Buch beiliegenden Gabentests beigezogen, in denen die Gläubigen auf einer Skala von eins bis fünf bewerten, wie stark die Testaussagen zutreffen. Hier einige Beispiele:  

„12. Wenn jemand in seiner Gebetssprache (‚in Zungen‘) betet, so spüre ich deutlich, was gesagt wird.“

„16. Gott zeigt mir häufig Dinge über andere Menschen.“   

„31. Ich habe schon mehrfach erlebt, dass Kranke durch mein Händeauflegen gesund geworden sind.“

„60. Gott hat schon öfter Wunder bewirkt, nachdem ich gebetet habe.“

„80. Ich könnte mir gut vorstellen, eines Tages im Namen Jesu einen Toten wieder lebendig zu machen."(18) 

Aber auch andere Personen werden darin um ein Feedback gebeten, um die eigenen Befähigungen ermitteln zu können. Am Ende des Testes wird eine Zusammenfassung erstellt und „dem Mitarbeiter in deiner Gemeinde, der für die ‚Jobberatung‘ zuständig ist“, abgegeben (19). Während die Gläubigen mit eher dienenden Befähigungen zu Hilfstätigkeiten während des Gottesdienstes zugeteilt werden, besitzen die Leiter „Leitungsgaben“, die sie zu Predigt und Mission befähigen. Die Gaben der Prophetie und der Heilung finden in der ICF grosse Anerkennung. Kontakte mit vermeintlichen Propheten werden gepflegt und deren Vorhersagen in die Zielsetzung der ICF aufgenommen. So wird beispielsweise in den Schriften der ICF auf Bobby Conner Bezug genommen, der der ICF ein jährliches Wachstum um 100 Prozent voraussagte. An dem im Juli 2003 stattfindenen ICF-Kongress trifft man auf die Gastredner Steven Thompson von den „MorningStar Ministries“, Autor des Buches „Ihr könnt alle prophezeien!“, und Christoph Häselbarth vom „Josua Dienst“, der praktische Ratschläge gibt, wie man im Alltag Kranke heilt. Auch in den g/12-Gruppen erlangen diese Gaben Geltung. So ist in jeder Gruppe idealerweise eine Prophetin oder ein Prophet, eine Person mit der Gabe zu heilen, eine Person mit einer Leitungsgabe und eine mit einer sogenannten Hirtengabe, die Gabe zur Fürsorge, vertreten.

Darstellung der ICF: 1.4. Gemeindestruktur

Ihrer Ausrichtung auf Mission zufolge kann die ICF zur Gemeindeaufbau-Bewegung gezählt werden. Für das Wachstum Erfolg versprechende Modelle der Gemeindeorganisation werden von „Mega-Churches“ übernommen und in die eigenen Gemeindestrukturen integriert. In ihrer Anfangszeit trat die ICF als „Hauszellengemeinde“ auf, in der sich bis zu zwölf Gläubige in Gruppen wöchentlich zu privaten Treffen zusammenfanden und über religiöse Themen diskutierten. Sowohl die Themenwahl als auch der Ablauf der Treffen oblag den Teilnehmenden. Die Gruppen verband einzig der gemeinsam besuchte Gottesdienst. Durch die Umstellung auf das „Workshop-Modell“ wurden die Treffen zunehmend standardisiert. Seit 2002 organisiert sich die ICF nach dem sogenannten „g/12-Modell“ der kolumbianischen Gemeinde von César Castellanos, wodurch die ICF ihre Struktur nochmals einen Schritt strikter gefasst und eine Vereinheitlichung zu einer „ganzen Kirche“ vollzogen hat (20). Der Ablauf der Treffen wird in am Gottesdienst verteilten Leitblättern festgelegt, wobei das Thema der Predigt vertieft besprochen und in Kleingruppen im persönlichen Leben verankert wird. Dabei werden Schwierigkeiten und Probleme der Einzelnen offen angesprochen und konkrete Schritte, so genannte „action steps“ festgelegt, um diese zu überwinden. Gemeinsamen wird Gott im Gebet um Hilfe angerufen und das erlösende Vertrauen in Jesus gestärkt. Während den g/12-Treffen wird zudem für so genannte „VIPs“ gebetet. Mit VIPs werden in der ICF Bekannte und Freunde bezeichnet, die (noch) nicht gläubig sind und durch die Gebete und im persönlichen Kontakt bekehrt werden sollen.

Die g/12-Gruppen unterscheiden sich von den Workshops durch ihre stärkere Ausrichtung auf die Missionierung. Die Idee der g/12-Gruppen leitet sich von der Struktur der Jüngerschaft Jesus‘ ab: Wie dessen Jünger soll jede Person an einer Gruppe als Lernende teilnehmen, das erworbene Wissen aber auch in die Welt tragen und eine eigene g/12-Gruppe gründen. So meint Matthias Bölsterli in einem Interview: „ICF war auch vorher als Zellenkirche nicht wirklich locker organisiert, auch wenn wir (auch jetzt noch) einen lockeren, ungezwungenen Umgang miteinander pflegen. Aber das g/12-Modell (..) ist sicher nochmals ein Schritt verbindlicher, denn nun wird jeder ermutigt, gemäss dem Missionsbefehl Jesu nicht nur zu konsumieren, sondern auch selber Jünger zu machen.“(21) Jeder Gläubige ist damit Jünger und zugleich Mentor in der ICF. Ausgangspunkt der geschlechtsspezifisch getrennten g/12-Gruppen sind die Gruppe von Leo Bigger, an der auch Matthias Bölsterli teilnimmt, und diejenige seiner Frau Susanne Bigger.

Darstellung der ICF: 1.5. Mitgliedschaft

Da die Gläubigen dem Verein formal nicht beitreten, verfügt die ICF nicht über ein Mitgliedschaftskonzept. Dennoch unterscheidet die ICF zwischen Gottesdienstteilnehmenden und Personen, die sich der ICF zugehörig fühlen oder „sich zur ICF zählen“ (22). Um als solche zu gelten, müssen die Gläubigen folgende fünf Kriterien erfüllen:

          Tägliches VIP-Gebet und die Aufgabe, weitere Personen zu bekehren, beziehungsweise weitere g/12-Gruppen zu bilden

•          Regelmässiger Gottesdienstbesuch

         Das Engagement im Rahmen der g/12-Gruppen

         Aktiver Dienst an der Gemeinde

         Die Abgabe des Zehnten

Die Anforderungen sind nicht verpflichtend und werden von den Gläubigen freiwillig geleistet. Deren Erfüllung gehört nach Daniel Linder allerdings zum Bekenntnis zu Gott und führt den Gläubigen zu einem erfüllten und vollständigen Leben als Christ (23).

Die Einführung in den Glauben erfolgt innerhalb eines festgelegten Programms und beginnt mit dem Grundlagenkurs. In regelmässigen Treffen mit der Mentorin oder dem Mentor, die zusätzlich zur g/12-Gruppe wöchentlich eine Stunde beanspruchen, sollen die Gläubigen die Grundlagen des Glaubens vermittelt bekommen und in eine persönliche Beziehung“ zu Gott geführt werden. Im daran anschliessenden Intensivwochenende wird diese Beziehung gefestigt, indem die Gläubigen die Wassertaufe und eine Taufe im Heiligen Geist erleben. Im Vertiefungskurs, der zwölf Lektionen umfasst, lernen sie, was „es ganz praktisch heisst, so zu leben, wie Gott es will.“(24)

Darstellung der ICF: 1.6. Aktivitäten und Angebot

Die ICF legt besonderes Gewicht auf die „kreative Präsentation“ der Botschaft. Da „die Menschen unterhalten werden wollen“, versucht die ICF gemäss Daniel Linder, die Menschen „mit Show abzuholen“ (25). Um das Angebot gezielt auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen der Gläubigen ausrichten zu können, wird das Angebot altersspezifisch aufgegliedert. Es werden jeden Sonntag Gottesdienste für folgende Altersgruppen durchgeführt:

• „Zwänzger“ (20-25 Jahre)

• „Youth Planet“ (16-19 Jahre)

• „Groundzero“ (13-15 Jahre)

• „Chinderexpress“ (bis 12 Jahre)

• „GenX“ (ab 26 Jahren)

Der Gottesdienst „GenX“ wird sonntäglich viermal wiederholt, um Frühaufstehern und Langschläfern gerecht zu werden. Dank multimedialer Hilfsmittel und verschiedener Showeinlagen wie Theaterstücken und Interviews werden die eineinhalbstündigen Gottesdienste zu Events, die musikalisch von hauseigenen Bands begleitet werden. Ihre Musik orientiert sich am Mainstream. Die hitparadenkonformen Songs werden mit christlichen Texten unterlegt, die auf Grossbildschirme projiziert werden. Auf humorvolle Art sind die Gläubigen zum Mitsingen aufgefordert und werden emotional in das Geschehen eingebunden. Neben den Gottesdiensten bietet die ICF eine Vielzahl von Lagern, Weekends, Sportanlässe und Kursen an.

Die ICF verfügt zudem über ein sozialdiakonisches Angebot namens „One Love“, in dessen Rahmen über Budget- und Rechtsberatungen bis zu medizinische Beratungen durchgeführt werden. Diese Beratungen werden von Fachpersonen als Dienst an der Kirche durchgeführt, orientieren sich aber an religiösen Grundsätzen. So bildet beispielsweise die Abgabe des Zehnten fester Bestandteil in der Budgetberatung. Auch in der eigentlichen seelsorgerischen Beratung, für die intern geschulte Personen eingesetzt werden, erhält der Glaube und das gemeinsame Gebet einen zentralen Stellenwert. Die ICF führt zur Zeit zwei seelsorgerisch begleitete Gesprächsgruppen, sogenannte „awake“-Gruppen, zum Thema „Essstörungen“ für Frauen und „Frust mit der Lust“ für Männer.

Das sozialdiakonische Angebot der ICF richtet sich primär an Mentorinnen und Mentoren, die in der Betreuung ihrer Jünger an Grenzen stossen. Durch Schulung und Training sollten sie dazu befähigt werden, Hilfesuchende eigenständig zu betreuen. Wenn nötig finden aber auch direkte Beratungen zwischen Fachpersonen und Hilfesuchenden statt, wobei die Mentorin oder der Mentor im Beratungsprozess integriert bleibt.

2. Einschätzung der ICF nach sektentypischen Kriterien

Die infoSekta sieht sich als Konsumentenschutzorganisation dazu verpflichtet, mögliche vereinnahmende und doktrinäre Tendenzen der ICF aufzuzeigen. Die Zusammenstellung solcher Merkmale bedeutet allerdings nicht, dass alle Gläubigen gleichermassen mit solchen Tendenzen konfrontiert sind. Da sich die Einbindung in die ICF vorwiegend über die g/12-Gruppe vollzieht, resultieren daraus gruppenspezifisch unterschiedliche Erfahrungen. Dennoch zeichnen sich in der Struktur der g/12-Gruppen und im dualistischen Weltbild allgemeine Tendenzen ab, die Prozesse der Vereinnahmung und die Bildung von Abhängigkeit fördern. 

 

2.1. Ausschliesslichkeit

Wie in persönlichen Gesprächen mit Daniel Linder und anderen im ICF engagierten Personen deutlich wurde, fühlen sie sich als Vertreter des „richtigen Glaubens“. So unterscheidet die ICF gemäss Daniel Linder klar zwischen schwarz und weiss (26).Der Glaube vermittle den Gläubigen Identität und Heilsgewissheit und wirke sich daher positiv auf die Jüngerschaft aus (27). Die Gewissheit, Gottes Botschaft zu verkünden, ist unverrückbarer Bestandteil der Religiosität. Die eigene Botschaft als die „beste Botschaft der Welt“ wird im Gegensatz zu den Landeskirchen, die ihren „Job nicht richtig erfüllen“, modern präsentiert und mit beträchtlichem Aufwand attraktiv verpackt, um weitere Personen dafür einfangen zu können (28). Die Gläubigen werden damit auf einer emotionalen Ebene angesprochen. Da sich die ewige Wahrheit durch das Wirken des Heiligen Geistes offenbart, wird der Zugang zum Glauben im eigenen Empfinden verankert und Unterschiede in der Auslegung der Bibel wenig reflektiert. So verweist beispielsweise Daniel Linder, ohne sich des Widerspruches bewusst zu sein, einerseits daraufhin, dass Vertreter anderer Auslegungen der Bibel gute Argumente haben müssen, wollen sie die Lehren der ICF entkräften, gibt aber andererseits zu, dass sie selbst keine fundierten Bibelkenner seien: „Wissenschaftliche und theologische Kenntnisse seien nicht notwendig, um die Bibel verstehen zu können“(29). Durch einen solchen Zugang zum Glauben wird jegliche Reflexion über die Lehre und Kritik an der vermittelten Botschaft unmöglich. Von der ICF abweichende Meinungen lassen sich auf eine fehlende Offenheit gegenüber dem Heiligen Geist und letzlich auf eine Beeinflussung durch Satan zurückführen, die einer Beziehung zu Gott entgegen steht. Der alleinige Geltungsanspruch der eigenen Lehre wird durch die Einbindung der „Leitungsgabe“ zusätzlich verstärkt. Indem sich das Leitungsteam auf ihre besonderen, von Gott verliehenen Fähigkeiten beruft, wird sowohl die Lehre als auch die Organisation ICF zur unhinterfragbaren Gegebenheit.

Obschon formal die Gläubigen nicht der ICF angehören, werden sie in ein Weltbild eingebunden, in dem Abweichungen auf eine Rückkehr zur Sünde und auf einen Identitätsverlust verweisen. Die Lehren, die von rigiden Moralvorstellungen und einem absoluten Gegensatz von Gut und Böse begleitet werden, sind darauf angelegt, dass Zweifel und Kritik an der ICF mit einem schlechtem Gewissen, Schuldgefühlen und Ängsten einhergehen. Demgegenüber führt der Wechsel zu einer anderen Freikirche meistens nicht zum Abbruch des Kontaktes zur ICF und ist – da die Beziehung zu Gott weiterhin auf die „richtige“ Weise gelebt wird – ohne solche Ängste möglich. Den Zweifelnden werden jedoch nicht nur der Halt in der Gemeinschaft und Heilsgewissheit entzogen, sondern auch die Möglichkeit in Frage gestellt, ausserhalb des Glaubensgebäudes überhaupt eine eigene Identität haben zu können.

2.2. Isolation

Die Ausschliesslichkeit ihres Weltbildes hat auch Auswirkungen auf das Verhältnis zu Nicht-Gläubigen. Die Gläubigen werden dazu angehalten, nur Freundschaften mit Menschen zu pflegen, die sie in ihrem Glauben bestärken, und den Kontakt zu Nicht-Gläubigen zu meiden. Da Satan alles unternimmt, um die Gläubigen von Gott zu trennen, stellen diese eine Gefahr für den eigenen Glauben dar (30). Mit solchen Vorgaben errichtet die ICF eine klare Grenze zwischen In- und Outgroup und isoliert die Gläubigen von der Umwelt. Insbesondere bei jugendlichen Gemeindeangehörigen kann dies dazu führen, dass sie ihre Freizeit vollständig auf die ICF ausrichten und ihren Freundeskreis ausschliesslich innerhalb der ICF bilden.

Dem engen Gruppenbezug gegenüber steht die Aufforderung, mit Personen in Beziehung zu treten, die missioniert werden können. So soll man „als Christ (..) unbedingt auch Freunde haben, die noch nicht an Jesus glauben.“ Obschon diese Freunde sich dessen vielleicht nicht bewusst sind, bräuchten sie ebenfalls Befreiung durch den Glauben an Jesus (31). Jeder Einzelne soll sich daher Zeit dafür nehmen, den Kontakt zu ihnen zu festigen und sie durch Freundschaft in die Gemeinde zu integrieren. Durch die Bildung von Freundschaften werden die Gläubigen emotional in die ICF eingebunden. In den Predigten und den Schriften der ICF wird den Gläubigen stets das Gefühl vermittelt, persönlich angesprochen und von Gott auserwählt zu sein. So beginnt beispielsweise das von Leo Bigger verfassten Buch „No limits: Träume Gottes Träume“ mit der Anrede „Liebe(r) .........“, die mit dem „Gratis-Tipp ergänzt wird: „Füge bei den punktierten Linien doch einfach deinen Namen ein. Denn: DU bist gemeint“ (32).

2.3. Sozialkontrolle

Die persönliche Öffnung in der g/12-Gruppe setzt den Einzelnen der Bewertung durch das dualistische Weltbild aus, sodass das gegenseitige Vertrauen von der Gruppenkontrolle überlagert wird. So werden die Gläubigen in den g/12-Gruppen beispielsweise dazu aufgefordert, auf einer Liste Gewohnheiten zu notieren, die sich auf ihr Leben hemmend auswirken, sodass persönliche Verfehlungen nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich mitgeteilt werden (33). Indem als „action steps“ konkrete Schritte zur Überwindung von Problemen festgelegt werden, wird das Verhalten des Einzelnen durch die Gruppe überprüfbar. Sind Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter mit von den moralischen Richtlinien abweichenden Verhalten konfrontiert, wird dies über deren Mentorinnen und Mentoren in Richtung Zentrum weitergetragen, wobei gewisse Fälle bis zur Gemeindeleitung selbst dringen. Die Mentorinnen und Mentoren sind zudem weitgehend mit der seelsorgerischen und fachlichen Betreuung ihrer Jüngerschaft betraut beziehungsweise in deren gruppenexterne Betreuung eingebunden, was zu massiven Abhängigkeitsverhältnissen führen kann. Solche Prozesse zu reflektieren, bleibt dem Einzelnen überlassen, da die ICF psychologische Zugänge als unnüt z abl ehnt und die sozialdiakonische Beratung auf einer geistlichen Ebene anlegt (34).

2.4. Zwang zum freiwilligen Dienst an der Kirche

Von den sich der ICF zugehörig fühlenden Menschen wird erwartet, dass sie sich für die Gemeinde einsetzen. Die Aufgabe, den Glauben nach aussen zu tragen, wird als wichtigstes Lebensziel verstanden, dem alle anderen Aktivitäten unterzuordnen sind. So sollen die Gläubigen wie Jesus ihre Zeit dem Aufbau von Gottes Reich widmen und diesem Ziel alle andere Aktivitäten unterordnen (35). Aber auch in der Gemeinde selbst wird Engagement erwartet. Die ICF verfügt eigens über eine Jobliste, auf der Aufgaben im Webdesign, in der Technik oder in der Kinderbetreuung ausgeschrieben werden. Die Aufgaben werden von den Gläubigen freiwillig übernommen, da „Deine Kirche (...) Dir die beste Möglichkeit (bietet), Gott und deinem Umfeld mit deinen Fähigkeiten zu dienen.“(36) So können sich die persönlichen Gaben in der Kirche entfalten, wobei letztlich persönliches Aussehen und Auftreten über die Verteilung der Aufgaben entscheidet. Unterschiede unter den Gläubigen werden damit strukturell verankert. Indem die ICF den Dienst an der Kirche zum Zeichen der persönlichen Auserwähltheit stilisiert und den Gläubigen „Aufstiegschancen“ bietet, wird die Mithilfe emotional besetzt und gern geleistet. Wie sich am Beispiel des Umzugs in die neu gemieteten Räumlichkeiten zeigt, besteht dadurch die Gefahr, dass die Gläubigen von der Gemeinde ausgebeutet werden. So wird der gesamte Umbau von den Gläubigen gratis geleistet, wohingegen die dafür veranschlagten drei Millionen grösstenteils für das Multimediaequipment, die Bühne für den Gottesdienst, die Möblierung, für die Telefonanlagen und für Computer ausgegeben werden. 

2.5. Finanzielle Forderungen

Wie auch anderen Freikirchen fordert die ICF von den Gläubigen die freiwillige Abgabe des Zehnten. Indem die ICF aber die Abgabe des Zehnten zum Zeichen der Liebe zu Gott erhebt, wird sie zur persönlichen Verpflichtungen eines Gläubigen. Denn: „Entscheide dich dafür, (Gott) aus Liebe und Dankbarkeit alles zur Verfügung zu stellen, auch deine Finanzen. Gib mindestens den zehnten Teil deines Einkommens in deine Kirche, damit diese ihre Aufgaben wahrnehmen und wachsen kann.“ Erfüllt der Gläubige die Anforderung, ist ihm Belohnung gewiss (37). Umgeht er sie aber, stellt er sich gegen Gott und wählt gegenüber dem Segen den Fluch. „Ungehorsam kann einen Fluch auf deine Finanzen bringen. Das kann so aussehen, dass du plötzlich Schulden machst oder sonst Probleme mit Geld bekommst.“(38) Durch die Verknüpfung des „richtigen“ Glaubens mit der Abgabe von Spenden wird es schwierig, sich gegen finanzielle Forderungen zur Wehr zu setzen. Dies gewinnt insbesondere im Zusammenhang mit den „Commitment s“ an Bedeutung, für die die Gläubigen Verzicht leisten, um die Mission der ICF mitzutragen. Indem die ICF darauf verweist, dass der Zehnte „heilig“ ist, das heisst zu Gottes Sphäre gehört, wird das Geld der Kontrolle der Gläubigen entzogen und ihnen ein Recht auf Mitbestimmung für deren Verwendung abgesprochen (39).

3. Schlusswort

Bei näherer Betrachtung der ICF zeigt sich, dass hinter der glitzernden und gewinnenden Oberfläche eine problematische Gruppe steht, die mittels einer dualistisch angelegten Lehre und subtilen Druckmitteln die Gläubigen an sich bindet. Um die Gemeinde in Bewegung zu halten, wird versucht, die Gläubigen „mitzureissen“, ohne dass Prozesse, die ein solches „Mitreissen“ begleiten können, reflektiert werden. Den Gläubigen wird das Ge fühl vermittelt, zu einer „coolen“ und trendigen Gruppe zu gehören. Die Zugehörigkeit zur Gruppe bedingt allerdings die Erfüllung strenger Grundsätze und rigider Richtlinien. Die mangelnde Sensibilität und der fehlende Respekt gegenüber Individuen zugunsten der Verkündung einer Botschaft ist selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn, wie sich die Leitung der ICF stets zu betonen bemüht, von der ICF keine eigennützigen Absichten verfolgen würden. 

 

Fussnoten

(1) Leitbild der infoSekta (2002).

(2) Daniel Linder im persönlichen Gespräch vom 11. Juni 2003.

(3) Leo Bigger im Interview mit Muhl (Muhl, undatiert).  

(4) ICF (2003a, 8). Das Organigramm der ICF befindet sich im „Quellenmaterial“ der ICF-Dokumentation von infoSekta.

(5) Gemäss Daniel Linder wurde zunächst der Bereich „icf-irie vibes“ ausgegliedert, da seine Tochtergesellschaft „media store gmbh“ profitorientiert ist (Ebd. im persönlichen Gespräch vom 11. Juni 2003).

(6) Stamm im Tages-Anzeiger vom 30.10.2000 und Idea Spektrum Schweiz (41/2000) im „Pressematerial“ in der ICF-Dokumentation von infoSekta.

(7) Idea Spektrum Schweiz (41/2000).  

(8) ICF „Vertiefungskurs“ (2003b, 15).

(9) Ebd. (16).

(10) Ebd. im persönlichen Gespräch vom 11. Juni 2003.

(11) ICF „Vertiefungskurs“ (2003b, 55).

(12) Ebd. (54).

(13) ICF (2003c). Das Leitblatt des Gottesdienst vom 19. Januar 2003 zum Thema „Befreiungsdienst“ befindet sich im „Quellenmaterial“ der ICF-Dokumentation von infoSekta.

(14) Ebd. im persönlichen Gespräch vom 11. Juni 2003.

(15) Ebd.

(16) Ebd. 

(17) Ebd. (2001, 9).

(18) Ebd. (13-16).

(19) Ebd. (32). 

(20) ICF (2003d).

(21) Idea Spektrum Schweiz (40/2002). 

(22) Interview mit Matthias Bölsterli in Idea Spektrum Schweiz (40/2002).
(23) Daniel Linder im persönlichen Gespräch vom 11. Juni 2003.
(24) Vorwort zum ICF Vertiefungskurs (2003, 2).
(25) Ebd. im persönlichen Gespräch vom 11. Juni 2003.
(26) Ebd. im persönlichen Gespräch vom 11. Juni 2003.
(27) Ebd. 
(28) Ebd. 
(29) Ebd. 
(30) ICF „Vertiefungskurs“ (2003, 20).
(31) Ebd. (21).
(32) Ebd. (2000, 1). 
(33) Leitblatt für die g/12-Gruppe vom Gottesdienst vom 19. Januar 2003
(34) Daniel Linder im persönlichen Gespräch vom 11. Juni 2003. 
(35) Vertiefungskurs (2003, 60).
(36) Ebd. (4). 
(37) Ebd. (23).
(38) Ebd. (24). 
(39) Ebd. (24). 

Bibliographie

• Bigger, Leo (2000): No Limits: Träume Gottes Träume. Verlag icf-books. Zürich.

 

• Bigger, Leo; Hack, Kerstin (2001): Nr.1: Entdecke, wer Du bist – Finde Deinen Platz. Verlag icf-media store GmbH. Zürich.

• infoSekta (2002): Leitbild der infoSekta. Auf: www.infosekta.ch.

• Muhl, Iris (undatiert): Interview mit Leo Bigger. Auf: www.icf-bonn.de/archiv/gesellschaft/interview_mit_.../interview_,mit_leo_bigger.htm. Heruntergeladen am 14.3.2003

• ICF (2003a): Organigramm. In: Ebd.: Jahresbericht 2002.

• ICF (2003b): Vertiefungskurs. Auf: www.icf.ch. Heruntergeladen am 14.3.2003

• ICF (2003c): Gottesdienst vom 19. Januar zum Thema: Befreiungdienst – take it easy but take it! Auf: www.icf.ch. Heruntergeladen am 14.3. 2003

• ICF (2003d): was ist g/zwölf. Auf: www.icf.ch/d/gzwoelf/wasistgzwoelf.htm. Heruntergeladen am 14.3.2003.

• Idea Spektrum Schweiz (2000): Jugendkirche ICF will bauen. In: ebd., (41)2000.

• Idea Spektrum Schweiz (2002): Interview mit Matthias Bölsterli: „Wir werden auf Reizthemen reduziert“. In: ebd., (40)2002.

• Stamm, Hugo (2000): Gottesdienst in der Dreifach-Turnhalle. In: Tages-Anzeiger, 30.10.2000

 

Appendix

Zürich, 1. Juli 2003

 

Friess, Sonja (2003): Darstellung und Stellungsnahme zur „International Christian Fellowship“ ICF. InfoSekta. Zürich.

 

 

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